Konfigurieren oder programmieren?
Digitale Events sind gar nicht so schwer: Lösungen für Live-Streams, Chats, Videokonferenzen und komplette 3D-Welten sind schnell verfügbar und einfach zu konfigurieren. Die größere Frage ist eher: Wie lassen sich mehrere Tools zu einer Dramaturgie arrangieren? Und was passiert, wenn mir ein Feature fehlt?
Wir müssen das Rad nicht immer neu erfinden – von YouTube bis Zoom bieten viele Anbieter einfache und weit verbreitete Lösungen für Live-Inhalte an, ohne das Budget großartig zu belasten. Geht es um Neuentwicklung eines Event-Portals oder einer virtuellen Heimat für eine Veranstaltung, sprechen wir meist eher über einen dramaturgischen Rahmen oder eine individualisierte Markenwelt. Nüchtern gesagt: Nutzer sollten wissen, wohin sie als Nächstes klicken sollen. Schauen wir uns dazu einfach drei Szenarien näher an.
1. Alles mit Bordmitteln
Der pragmatische Ansatz bedient sich ausschließlich an fertigen Lösungen. Eine Live-Keynote kann dabei beispielsweise in einem Zoom-, Skype-, Meet- oder Teams-Raum gehalten werden. Einladungen werden über das bestehende Newsletter-System verschickt. Das funktioniert gut, solange der Umfang überschaubar ist und die Moderation gut funktioniert:
- Einige Konferenz-Lösungen haben Teilnehmer-Obergrenzen.
- Es sollte die Möglichkeit geben, alle Teilnehmer bis auf den Speaker stumm zu schalten.
- Was nicht automatisiert werden kann, muss über Verhaltensregeln abgedeckt werden: Sind "Zwischenrufe", Nachrichten an den Raum, eine generelle Teilnehmer-Etikette muss klar anmoderiert und eingehalten werden.
- Gibt es mehrere Slots, müssen entweder mehrere Räume oder eine lange Session angeboten werden. In diesem Szenario wäre der Newsletter der einzige Indikator für Teilnehmer, wann sie auf welchen Link klicken müssen.
Viele Unternehmen sperren einzelne Softwarelösungen oder Domänen. "Bordmittel" sollten auch wirklich an Bord sein – eine neue Software einzuführen, scheitert nicht selten an internen IT-Richtlinien. Es lohnt sich, während der Bestandsaufnahme IT-Ansprechpartner und Datenschützer ins Brainstorming einzubeziehen und ihre Bedenken und Ideen zu hören.
Apropos "es lohnt sich" – gerade in der "Bordmittel"-Variante können einzelne Features oft gestrichen werden. So kann der Live-Stream schnell auf ein simples Input-Format gekürzt werden, das auch über YouTube Live oder andere Social-Kanäle gestreamt werden kann, anstatt eine vollumfängliche Konferenzlösung zu nutzen. Und dort bieten sich oft wieder ganz andere Möglichkeiten, Reichweite aufzubauen oder Interaktion zu fördern.
2. Eine Website als Rahmen für fertige Lösungen
Kein Mittelweg, eher eine Werkstatt mit viel Potential hat eine simple Website als digitales Zuhause für Teilnehmer, die an den richtigen Stellen in fertige Lösungen verlinkt. So hat jeder Beteiligte eine klare Orientierung, was er wann wo findet. Ein simples Beispiel dafür wäre eine digitale Veranstaltung, die vom Anbieter ausgewählten Teilnehmern einen Tag mit Keynotes und Workshops bietet:
- Du nutzt ein schlankes Content Management System (CMS) mit der Möglichkeit, User-Accounts anzulegen. So kannst du deine Teilnehmer vorregistrieren, die daraufhin zum Beispiel benachrichtigt werden, ein Passwort vergeben und sich einloggen.
- Du zeigst deinen Teilnehmern eine Agenda mit Links in Zoom- (oder Meet, oder Skype-) Räume, wenn es um Keynotes und Kommunikation geht oder auch auf ein Trello- oder Miro-Board, wenn Brainstorming und Kollaboration gefragt sind. Steht ein reiner Live-Stream im Fokus, kann die Agenda auch auf eine Unterseite mit eingebundenem YouTube- oder Facebook-Live-Player führen.
Ab hier ist die Lösung sowohl mit (Wo)manpower als auch Entwicklungsaufwand skalierbar:
- Bei abgelaufenen Agenda-Punkten können die Links entfernt / offline geschaltet werden. Gibt es eine Aufzeichnung einer Keynote, kann stattdessen diese verlinkt werden und Teilnehmer sind nicht an den Ablaufplan gebunden.
- Unterseiten mit Infos zu Talks und Speakern können eingebunden werden.
- Teilnehmer mit unterschiedlichen Rechten können unterschiedliche Inhalte auf der Agenda sehen.
- Nicht zuletzt bringen viele Content Management Systeme Templates zur Auswahl mit oder lassen sich schnell nach eigenen Wünschen skinnen und somit auf das Corporate Design anpassen – so ist zumindest der Rahmen on Brand.
Für umfangreichere Events mit längerem Ablauf und mehr Informationsbedarf kann diese Herangehensweise schnell Resultate bringen, ohne dabei zusammen geflickt zu wirken. Aber Achtung: Die Einschränkungen und Risiken unter 1 gelten natürlich auch hier. Außerdem zu bedenken: Je mehr "externe" Lösungen genutzt werden, desto öfter müssen Teilnehmer zwischen unterschiedlichen Fenstern hin- und herspringen. Das sind im Idealfall mehrere Browser-Tabs auf Desktop-Rechnern, im Extremfall aber auch schnell unterschiedliche Apps der jeweiligen Anbieter auf Smartphone oder Tablet.
3. Die individuell programmierte Event-Plattform
Die 100%ig nahtlose User Experience in Kombination mit individuellem, auf die Marke abgestimmten Interface Design und Feature Set muss in den meisten Fällen auch individuell entwickelt werden. "Individuell" sollte dabei nicht nur Look & Feel und spezielle Features umfassen, sondern auch das Redaktionssystem im Hintergrund berücksichtigen. Was nicht heißt, dass wir hier das Rad neu erfinden müssen – Content Management Systeme wie Craft CMS erfüllen alle Grundvoraussetzungen, um digitale oder hybride Events pfleg- und skalierbar zu halten:
- Kommunikation über Schnittstellen: Bereits vorhandene CRM-Systeme oder ein im Unternehmen etablierter Single-Sign-Own (SSO) können nahtlos integriert werden.
- Modulares Redaktionssystem: Der Workflow für Organisatoren, Content-Manager und Redakteure kann individuell aufgesetzt und an die Fähigkeiten der Mitarbeiter angepasst werden.
- Headless statt kopflos: Das Backend zur Pflege kann komplett vom visuellen und interaktiven Frontend entkoppelt werden und beide Bestandteile unabhängig voneinander ausgetauscht oder weiterentwickelt werden.
- Standards schon mal inklusive: Eine sinnvolle Rollen- und Rechtestruktur, Mehrsprachigkeit und andere Hygienefaktoren sollten keine Diskussionspunkte sein.
Der größte Vorteil an einer maßgeschneiderten Plattform: Die richtige Architektur und einen durchdachten Produktionsprozess vorausgesetzt, kannst du mit dieser Lösung schnell echte Ergebnisse entwickeln und sie später beliebig ausbauen. "Branding" kann sich vom simplen Skinning bis hin zur 3D-Experience erstrecken, bei der die eigene Marke wirklich spürbar wird und die Experience zum echten Erlebnis. Auch der Mix mit Ansatz 2 ist weiterhin möglich, wenn auch eleganter – viele "fertige" Kommunikationslösungen wie zum Beispiel Zoom können nahezu nahtlos in ein System integriert werden. Teilnehmer bemerken gar nicht mehr, dass sie eine Standardlösung nutzen.
Die drei Ansätze können übrigens auch gut aufeinander aufbauend zum Einsatz kommen – immerhin gibt es viel zu lernen, das beim ersten Schuss ungeklärt ist. Das Feedback der Teilnehmer zu messen, jedes Feature zu hinterfragen und das gesamte Konzept immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, solltest du unbedingt einplanen. Wie bei jedem digitalen Produkt gilt auch hier: Lieber ein Feature auf Basis einer Hypothese ausprobieren als lange diskutieren – so lange Zeit und Budget einen Test im echten Kontext zulassen, sollte dies immer der Weg der Wahl sein.